Es scheint ein Phänomen der heutigen Zeit zu sein, dass Berufsstände offensichtlich immer mehr aufgeweicht werden. Immer mehr Menschen lassen hinter sich, was sie ursprünglich einmal gelernt haben, und etablieren sich in Branchen und Tätigkeiten, für die sie keine ausgewiesene, professionelle Ausbildung besitzen. Restaurants werden eröffnet, ohne dass fundierte Kenntnisse im Gastronomiebereich vorliegen. Menschen werden zu Schauspielern, ohne dass sie in Sprechtechniken, Körperarbeit oder Gesang ausgebildet wurden. Menschen, die mit Hochdigitalkameras schöne Bilder machen, mutieren zum Kameramann, gute Zuhörer zum Lebensberater. Das gerne auch gegen geringeres Honorar als das in der Branche übliche, weil bestimmte Kenntnisse, die eigentlich zum Berufsstand gehören, fehlen und man nur ein bestimmtes „Programm“ abspulen kann. Geiz-ist-geil-Unternehmen arbeiten gerne mit Laien und Halbprofessionellen, weil sich die Kosten für Produkte, Produktionen, Dienstleistungen erheblich minimieren lassen. Dass es sich lohnt, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die ein umfänglicheres Know-How, ein tieferes Verständnis und echtes Handwerkszeug mitbringen, verstehen diese oft erst, wenn
a) ein höherer Qualitätsstandard gefordert wird, der sich nicht mit x-beliebigen Kräften erreichen lässt,
b) die Konkurrenz zunimmt und auf dem Markt überall derselbe „Brei“ angeboten wird,
c) es zu unerwarteten Zwischenfällen oder Abweichungen „im Plan“ kommt, die nur mit professioneller Improvisation und kreativem Geschick gelöst werden können,
d) es (wiederholt) zu Schäden kommt, weil in unzureichend erfahrene / kompetente Kräfte investiert wurde.
Nicht selten wird dann händeringend nach versierten Kräften gesucht, die die Versäumnisse in der Vergangenheit kompensieren und entstandene Schäden beseitigen sollen. Ich kann verstehen, dass manche Fachkräfte sich dagegen wehren, als Notnagel für andere zu dienen, und nur noch mit PartnerInnen und UnternehmerInnen zusammen arbeiten, die sie dauerhaft „buchen“ und engagieren.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen, Menschen, die als Newcomer oder Seiteneinsteiger absolut berechtigt in einen Berufszweig einsteigen, weil sie über eine außergewöhnliche Gabe oder großes Talent verfügen und den Berufsstand in besonderer Weise bereichern und befruchten. Doch bringen diese den Fachkundigen und Weisen der Branche (zum Glück meist) größte Wertschätzung entgegen und versuchen nicht, ihnen ihren Posten streitig zu machen und diesen mit minderwertigen Angeboten zu unterwandern.
Nach welchen Kriterien wählst du Menschen für eine Arbeit aus, die du zu vergeben hast?
Inwieweit ist es moralisch und ethisch vertretbar, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die nicht viel von einem Fach verstehen, sich aber in diesem günstig anbieten?
Welche Vorteile hat es, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die viel in ihren beruflichen Weg investiert haben?
Bist du bereit, Dienstleistungen angemessen zu vergüten, unter ehrlicher Beachtung ihres (Mehr-)Werts (für dich)?