Veränderungen im Lebensentwurf vorzunehmen ist kein leichtes Unternehmen. Sie bedeuten eine Unterbrechung der bisherigen, gewohnten Abläufe, Tätigkeiten und Strukturen. Sie erfordern in der Regel eine persönliche Weiterentwicklung, ein Umdenken und – zumindest in Teilbereichen – gänzliche neue Verhaltensweisen.
Auch wenn grundsätzlich eine weitreichende Veränderung angestrebt wird und klar ist, dass sie nach entsprechendem, gelungenen Umbruch persönlich viele Vorteile bringen wird, kann die Vorstellung selbst Unbehagen, Unsicherheiten, Zweifel und innere Unruhe auslösen. Auch körperliche Reaktionen wie schnelles Herzklopfen, ein gefühlter Kloß im Hals, ein zusammengezogener Magen, zittrige Hände und kalte Füße können auftreten.
Was sich hier zeigt und regt, ist die Angst vor der Veränderung. Dieses Phänomen ist ganz natürlich. Schließlich bedeutet die Umgestaltung eines Lebensentwurfs Wege zu beschreiten, zu denen wir noch keine Erfahrung besitzen, und in die wir folglich auch noch kein Vertrauen entwickelt haben. Es fehlt auch an Selbstsicherheit, weil wir nicht einschätzen können, ob wir den Entscheidungen, die wir getroffen haben, und den Herausforderungen, auf die wir uns einlassen wollen, wirklich gewachsen sind.
Um diese Angst überwinden zu können, kann es hilfreich sein, einmal genauer zu untersuchen, was genau Angst in uns auslöst, und welcher Teil(bereich) oder konkrete Schritt es ist, der innerliches Wanken hervorruft. Selten ist es das „Gesamtpaket“, das diese Angst erzeugt, sondern einzelne Maßnahmen, Taten oder Gedanken.
Dazu ein paar Beispiele:
Ø Ein Unternehmer will eine Reihe von Projekten abstoßen, um sich endlich wieder wichtigen Kernthemen zuwenden zu können und sein beständig hohes Stresslevel zu reduzieren. Um das Durchsetzen dieser Entscheidung macht er sich keine Sorgen, allerdings fürchtet er nach einer gewissen Zeit den Fokus wieder zu verlieren und das Wichtige außer Acht zu lassen.
Ø Ein Paar möchte sich emotional verbundener fühlen, den gemeinsamen Alltag neu strukturieren, ausgestalten und verbale Verletzungen in Auseinandersetzungen proaktiv umgehen lernen. Beide wünschen sind willens und bereit sich in diese Richtung stark zu engagieren. Doch keiner unternimmt den ersten Schritt aus Angst sich in der Experimentierphase mit einem Fehlgriff in irgendeiner Weise lächerlich – und damit verletzlich – zu machen.
Ø Eine Frau will endlich „tabula rasa“ machen und ihr Leben werteorientiert neu ausrichten: dazu gehört der Austritt aus der Kirche, sich ausnahmslos nur noch nachhaltig produzierte Kleidung zuzulegen, einen konsequent vegetarischen Lebensstil zu pflegen und mehr Zeit in enge Freundschaften zu investieren. Die Umstellung traut sie sich problemlos zu, aber sie hat große Angst von ihren Verwandten nicht verstanden und schikaniert zu werden, weil deren Lebensstil auf ganz anderen Werten basiert.
Ø Ein Mann hat ein beachtliches Vermögen geerbt. Weil er selbst einen sehr minimalistischen Lebensstil pflegt, erwägt er den Großteil der Erbmasse in eine Stiftung für elternlose Flüchtlingskinder fließen lassen und für längere Zeit um die Welt zu reisen, um weitere soziale Projekte zu finanzieren und zu unterstützen. Was ihn stark beunruhigt, ist jedoch, dass ihn seine Umwelt „für komplett verrückt“ erklärt.
Die Beispiele verdeutlichen gut: selten ist es die Veränderung an sich, die Angst erzeugt. Oftmals sind es die Folgen, die Handlungen oder auch zwischenmenschlichen Reaktionen, die sich hieraus ergeben oder bevorstehen, die bange machen. Im Coaching “drösele” ich mit den Coaches ganz genau auf, welcher Aspekt, welcher Fakt, welche Situation, Konsequenz oder Tat genau genommen das Gefühl von Angst auslöst, und welche Möglichkeiten es gibt, dieser wirksam zu begegnen.
Hilfreich ist Schlüsselsituationen gedanklich komplett durchzuspielen, nützliche Handlungsstränge zu erarbeiten, Überzeugungen zu klären, übertriebene oder falsche Sichtweisen zu korrigieren, zu reframen und insgesamt weitsichtiger zu denken und (dann später auch) zu agieren. Daraus erwächst ein Gefühl innerer Stärke und Handhabbarkeit, und die Coachees lernen: „Ich kann die Angst tatsächlich handeln. Sie ist kein Grund, mich und mein Leben nicht zu verändern.“
Die Angst wird also zum Ausgangspunkt für persönliches Wachstum. Sie verweist auf einen inneren oder äußeren Konflikt, der – wenn er frühzeitig beseitigt wird – nicht zum Stolperstein der Veränderung wird.
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Welche persönliche Veränderung streben Sie gerade an?
Was genau macht Ihnen Angst?
Welches EINE Problem oder welchen inneren Konflikt markiert diese Angst? Wie ließe es sich lösen?
Was müssten Sie tun oder lernen, um ihr wirksam begegnen zu können?
Wie könnten Sie ganz praktisch durch ein bestimmtes, neues Verhalten der Angst ihre „Übermacht“ nehmen?
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Es sei abschließend nochmals gesagt: es ist selten das „Gesamtpaket“, das Angst erzeugt. Manchmal ist es nur EIN Aspekt, EIN Gedanke, EIN Schritt, EIN Verhalten, EIN Moment. Lassen Sie nicht zu, dass ihr Lebensentwurf deswegen stagniert!